I

Jonathan Wiese

Jakob Färber atmete die frische Meeresluft ein, die der unnachgiebige Wind über die Azoren fegte, während er aus dem Jeep stieg, dem Fahrer dankte und die wie Spielgeld aussehenden Münzen in seine offene Hand legte. Der Fahrer war vielleicht Ende dreißig, etwa 15 Jahre älter als Jakob. Seine mit unreinen und teilweise offenen Stellen überdeckte Gesichtshaut spannte sich ungesund über seiner Nase und in seinem Blick lag ein für Jakob undeutbarer Ausdruck, als er ihm kurz ins Gesicht schaute, während er das Geld annahm. „Ist nicht zu übersehen.“, sagte er in gebrochenem Chinesisch und deutete mit dem Kopf auf etwas, das wie ein metallischer Zylinder hinter einem drei Meter hohen Stahlzaun am Ende der Straße in den Himmel ragte. Jakob bedankte sich abermals und hievte seine Reisetasche von der Rücksitzbank. Kurz nachdem er sie nach dem Aussteigen auf seine Schulter gezogen hatte nickte der Fahrer kurz, wendete das Taxi und fuhr wieder zurück in Richtung der Hafenstadt, in der Jakob vor nicht einmal drei Stunden angekommen war.

Es war eine lange Reise gewesen, aus Berlin bis hier her. Er hatte nicht direkt reisen können, musste zunächst mit der Bahn nach Paris fahren, was trotz nach wie vor guter deutsch-französischer Verhältnisse mit erheblichen Verzögerungen durch diverse Kontrollen einherging und war nach einem Tag Aufenthalt schließlich in ein Flugzeug gestiegen, welches ihn zu einem Flughafen jener Hafenstadt gebracht hatte, aus der er nun mit dem Taxi hergefahren war.

Er ging geradewegs auf ein Kontrollhäuschen zu, welches einige Schritte vor dem Tor des etwa zweieinhalb Meter hohen Zauns neben einer Schranke stand. Kurz bevor er ankam öffneten die Bäume zu beiden Seiten der Straße ihr Blattwerk und er erblickte das volle Ausmaß des Weltraum-Fahrstuhls.

Es war das größte Gebäude, das je von Menschenhand erbaut wurde, wenn man den Fahrstuhl als solches bezeichnen wollte und wahrscheinlich würde es für die nächsten fünfhundert bis tausend Jahre auch dabei bleiben. Ein metallisch glänzender Zylinder mit einem Durchmesser von etwa fünfzig Metern führte in den Himmel, so weit das Auge reichte. Er hatte schier kein Ende.

Ein Weltraumfahrstuhl war bis in die späten 2020er nichts weiter als ein wissenschaftliches Hirngespinst gewesen. Zwar ermöglichte er den wesentlich einfacheren Transport von Waren und Menschen zu einer Station auf einer Erdumlaufbahn, gleichzeitig kostete seine Erbauung ein Vielfaches von einem normalen Raketenstart. Ferner war es bis zur Entdeckung einer eigens für ihn konzipierten Legierung unmöglich, dass das Verbindungsstück von Erde zur Station ihrer Fliehkraft über ca. 1,5 Äquatorlängen standhalten könnte. Nachdem jedoch äußere Umstände den Druck auf die internationale Staatengemeinschaft erhöhten, wurde das Hirngespinst vor einigen Jahren Realität und nicht nur das, es wurde zum alternativlosen Herzstück der weltweiten Maßnahmen zur Abwendung von Chaos und Anarchie.

Jakob stoppte kurz, zog die Luft ein und ließ das Gebäude auf sich wirken. Der Wind blies ihm die kurz geschnittenen Haare aus dem Gesicht. Er hatte es sich Jahr um Jahr ausgemalt, wie er genau diesen Weg gehen würde. Wie glücklich und entspannt er sich fühlen würde, am Ziel seiner Träume angelangt, ohne den lästigen Prüfungsdruck des Physik- und Geografiestudiums im Hinterkopf. In seinem Kopf hatte er einfach im Moment gelebt, war in einem Nebel glücklichen Wohlbefindens versunken, hatte sich von seiner Familie und seinen Freunden verabschiedet und war zu den Sternen geflogen bzw. gezogen worden. Alle hatten ihn beglückwünscht, sich für ihn gefreut. Er hatte es allen gezeigt, vor allem denen, die es ihm von Anfang an nicht zugetraut hatten oder ihm möglicherweise seinen Erfolg gar nicht gönnen wollten. Alle mussten einsehen, dass er zu guter Letzt der richtige Mann für diesem Job war. Alle freuten sich für ihn und die, die es nicht taten, mussten ihre Missgunst hinter einer wohlwollenden Fassade verstecken.

Doch jetzt, da er den Moment tatsächlich erlebte, fühlte er sich nicht entspannt und ausgeglichen, sondern merkwürdig unruhig. Er vermisste seine Eltern, obwohl er sie im letzten halben Jahr nur insgesamt zweimal besucht hatte. Der Abschied von seinem besten Freund Julian war fast schon gezwungen abgelaufen. Julian hatte sich für ihn gefreut, aber während sie sich noch einmal in den Park gesetzt und die Paddelboote angeschaut hatten, die die Spree hinauf und hinunter fuhren, hatte sich Jakob einsam gefühlt und Julian war generell etwas wortkarg gewesen.

„Na, verlaufen?“ fragte der klug aussehende kleine Mann mit runden Brillengläsern durch die halb offene Glasscheibe des Kassenhäuschen.

„Ähm, nein, ich bin hier um meinen neuen Job anzutreten…“, antwortete Jakob etwas unbeholfen. Der Mann grinste etwas, „Pack deine Papiere einfach in das Fach vor dir, Ausweis, Visa, Flugtickets, Kreditkarten und die Sparbücher. In der Zwischenzeit kannst du schon mal die Papiere hier unterschreiben.“ Er reichte Jakob einen kleinen Hefter durch die Durchreiche.

Jakob füllte die Formblätter aus, keines davon war wirklich wichtig, die Dokumente, auf die es ankam, hatte er bereits vorher auf postalischem Weg verschickt. Ein Papier schien eine Art Karte zu sein, auf der wichtige Orte, unter anderem sein Zimmer markiert worden waren. Ein anderes enthielt generelle Informationen über das neue, ausschließlich digitale Währungssystem, über das er sich allerdings schon im Vorfeld informiert hatte. Jakob blickte über den Rand des Hefters durch die Glasscheibe und sah zu, wie der Mann mit den runden Brillengläsern seinen Ausweis und seine Kreditkarten zunächst prüfte, dann ordentlich mit Hilfe einer Schere zerschnitt und in einen Mülleimer warf. Er spürte ein flaues Gefühl in der Magengegend. Natürlich war er darauf vorbereitet gewesen, seine Staatsangehörigkeit ablegen zu müssen, aber die Schnipsel seines bisherigen Lebens in einem Mülleimer verschwinden zu sehen, war eine ganz andere Sache.

„So, das waren fast alle Formalitäten, es fehlt nur noch dein neuer Ausweis.“, kündigte der Mann in einem Plauderton an. Er reichte Jakob einen Plastikumschlag durch die Durchreiche. Als Jakob ihn öffnete, kam darin ein hellblauer Ausweis mit seinem Namen, einer kleineren Version des Bildes, dass in seinen Bewerbungsunterlagen enthalten gewesen war und einem großen, verschnörkelten „W“ zum Vorschein, welches transparent den Hintergrund des Ausweises darstellte. Als Jakob die Daten überprüfte, blieben seine Augen kurz beim Feld „Staatsangehörigkeit“ hängen, unter dem die Worte „Wettervorhersage“ zu lesen waren. Aus irgendeinem Grund fiel ihm ein großer Stein vom Herzen und das flaue Gefühl von eben war sofort verflogen. Er lächelte glücklich.

„Ja, hübsch, nicht wahr?“, fragte der Mann mit den runden Brillengläsern. „Sie funktioniert gleichzeitig als deine Geldkarte. Die Firma hat dir als kleines Willkommensgeschenk ein Startkapital von 1500 W-Credits überwiesen, damit kommst du den ersten Monat ohne Probleme über die Runden. Die Karte lässt sich außerdem orten, es besteht also keine Gefahr, dass du sie verlierst oder sie dir geklaut wird.“

Plötzlich wanderte sein Blick über Jakobs Schulter in Richtung des Zylinders. „Sieht ganz so aus, als würdest du schon abgeholt werden, sind also gerade nochmal pünktlich fertig geworden.“

Der Mann, der sich aus Richtung des Zylinders dem kleinen Häuschen näherte, war ein stämmiger, glattrasierter Anzugträger mit asiatischen Gesichtszügen. Jakob schätzte ihn auf Ende dreißig, möglicherweise Anfang vierzig. Trotz des Anzugs wirkte sein Gang merkwürdig entspannt, ja fast lässig.

„Na Jakob, wie geht’s?“, rief er ihm in akzentfreiem Mandarin zu noch bevor er das Häuschen erreicht hatte.

„Ganz gut, danke!“ antwortete Jakob etwas zu hastig. Eine Welle der Aufregung überkam ihn, gleich würde der letzte Teil seiner Reise beginnen.

„Wie ich sehe, bist du pünktlich angekommen, das können normalerweise die wenigsten behaupten.“, ohne eine Antwort abzuwarten wandte er sich dem Mann innerhalb des Häuschens zu: „Na Jeff, wie ist das Wetter hier unten?“.

„Bestens!“, antwortete Jeff lächelnd, „Jakob, das ist Senior Lieutenant Mike Amar, er wird dich nach oben begleiten.“

„Senior Lieutenant Mike Amar… Rookie Jakob Färber melde mich zum Dienstantritt.“, antwortete Jakob zögerlich und etwas steif. Die Wettervorhersage war streng genommen keine militärische Organisation. Ihre Mitglieder trugen bis auf wenige Ausnahmen keine Rangabzeichen an der Kleidung und die Befehlskette herrschte seines Wissens nur pro forma, dennoch hatte Jakob sein ganzes Wissen ausschließlich aus Erfahrungsberichten, Büchern, Filmen, den Nachrichten und seiner Jobbeschreibung zusammengetragen und konnte unmöglich wissen, wie genau es die Mitglieder der Wettervorsage tatsächlich mit der Rangordnung nahmen. Außerdem handelte es sich beim Dienstgrad des Neuankömmlings um nicht weniger als den vierthöchsten Dienstgrad innerhalb der Organisation überhaupt, von der Direktorin persönlich einmal abgesehen, was ihm durchaus Respekt einflößte.

Senior Lieutenant Mike Amar grinste verschmitzt seinem Kollegen zu, der sein Grinsen ebenfalls nicht gerade erfolgreich zu unterdrücken versuchte. „Entspann dich Jakob, das hier ist zwar eine Insel, aber sie heißt nicht Parris Island.“, mit einem Blick auf Jakobs Tasche fügte er hinzu „Hast du nicht mehr mitgebracht? Na gut, viel passt sowieso nicht in die Rookie-Kabinen. Wenn du soweit bist, kann es gleich losgehen, dann verlieren wir keine Zeit, ist gerade ganz schön was los oben… oder besser gesagt unten, naja – Ach und verabschiede dich ordentlich von Jeff, den wirst du nämlich so schnell nicht mehr wiedersehen.“

Die Aufzugkabine, mit der Jakob sich zusammen mit Mike Amar in zunehmendem Tempo vom Erdboden wegbewegte, war eine von einer ganzen Reihe von Kabinen, die sich an der Außenseite des Zylinders befanden. Die meisten waren etwa 4x4 Meter große Personenkabinen mit Panoramafenstern, aber Jakob konnte auch mindestens eine deutlich größere Frachtkabine erkennen, bevor er mit seiner Tasche durch die kleine Schleusentür an einer Seite eintrat.

Der Anblick, der sich ihm mit zunehmender Höhe bot, verschlug Jakob die Sprache. Zunächst konnte er nur bis kurz über die Baumwipfel blicken, schnell erstreckte sich jedoch der ganze Wald vor seinen Augen und einen kurzen Moment später erblickte er Hafenstädte und direkt dahinter, den Ozean. Je höher der schnellste Aufzug der Welt sie nach oben zog, desto kleiner sah die Insel aus und desto riesiger und endloser das Meer. Kurz darauf verschwand alles und unter ihnen lag nun nichts als eine schier endlos anmutende Wolkendecke.

„Schön, nicht wahr?“, fragte Amar in beiläufigem Ton. „Um ehrlich zu sein sehe ich es schon gar nicht mehr, die Leitung schickt mich zu oft runter, um die Neuen abzuholen.“ Er wandte sich einem Monitor am Rand der Kabine zu. „Außerdem machen mir die bescheuerten Iren zu schaffen… Verzeihung, ich schätze mal du bist keiner?“

Jakob lächelte unsicher „Nein, ich gehöre zum Wetterbericht.“

Amar rollte mit den Augen „Jaja, schon klar, du hast das Handbuch gelesen. Aber heute früh warst du schließlich noch…“, er warf Jakob erneut einen prüfenden Blick zu „…ein aufrechter Deutscher Staatsbürger.“

Jakob nickte kurz, was Amar ein breites Lächeln auf die Lippen zauberte. „Schau mal äh… Jakob, nicht wahr? Du bist gewissenhaft, das ist gut! Aber übertreib es nicht, du kannst dir deine Förmlichkeiten für die Feldjäger und die Direktorin aufheben.

Jakob lächelte zurück und entspannte sich etwas. „Aus welchem Land sind Sie denn hergekommen?“, versuchte er in einem etwas zu lässigen Plauderton das Gespräch aufzunehmen.

Das Lächeln auf Amars Lippen erlosch. „Der Mongolei.“, sagte er knapp.

„Oh…, das tut mir Leid.“, antwortete Jakob bedrückt.

Amar drehte sich wieder in Richtung des Bildschirms, beobachtete ein paar Modelle und verschiedene Landkarten und tippte dann einige Zeilen auf der Tastatur, die beim Anschalten des Gerätes aus der Wand geklappt war.

„Wie sieht es denn aktuell in Irland aus?“, versuchte Jakob schnell das Thema zu wechseln.

„Schlecht!“, Amars Grinsen war so plötzlich wiedergekommen, wie es verschwunden war. „Die Idioten haben ihr Land direkt auf eine Insel gebaut und beschweren sich nun darüber, dass ihnen die Füße nass werden!“ Er vergrößerte eine Wetterkarte am Rande des Monitors und deutete auf eine Formation kurz vor Großbritannien.

„Ein Hurrikan?“, fragte Jakob.

„Ganz genau, Stufe 3 an der Grenze zu Stufe 4.“, antwortete Amar, immer noch grinsend.

„Das ist dann schon der 3. dieses Jahr.“

„Sehr richtig.“

Jakob runzelte die Stirn und studierte noch einmal das Bild auf dem Monitor.

„Bei der Größe und dem Abstand zum Festland dürfte er sich jedoch gut mit Hilfe von Mikrowellenstrahlung neutralisieren lassen.“

„Ja, keine Frage.“, das Lächeln auf Amars Gesicht bekam einen leicht säuerlichen Ton, „allerdings wird es dich enttäuschen zu hören, dass Marid und Lei Gong momentan mit wichtigen Aufträgen in Südamerika beschäftigt sind.“

Jakob runzelte die Stirn. Es gab insgesamt zwei Solarkraftbetriebene Mikrowellstrahler in der Erdumlaufbahn, riesige, international finanzierte und vollautomatisch betriebene Formationen aus Sonnensegeln und Strahlenerzeugern. Die beiden ursprünglich unabhängig voneinander arbeitenden Projekte „Marid“ und „Lei Gong“ waren schließlich beide unter dem internationalen Kommando der Wettervorhersage vereinigt worden, was eine bessere Konzentration und Absprache der weltweiten Wetterbeeinflussung ermöglichte. Allerdings bedeutete eine aktuelle Ausrichtung auf Südamerika, dass die Superstrahler es vermutlich nicht mehr rechtzeitig schaffen würden, die Wetterlage in Europa zu beruhigen. Mittlerweile stand er neben Amar vor dem Bildschirm und studierte konzentriert jede einzelne Anzeige. „Aber was bleiben dann noch für Alternativen? Für einen flächendeckenden Ölfilm fehlt vermutlich die Zeit…“

„Ist ohnehin zu teuer für Irland.“, winkte Amar ab. „In dem Fall müssen wir auf die altmodische Variante zurückgreifen.“

„Die altmodische Variante…?“, Jakob wusste nicht genau, worauf Amar hinauswollte. „Für eine Bombe ist der Sicherheitsabstand zur bewohnten Küste nicht groß genug, die Strahlung würde zumindest Teile der Küste erreichen.“

Amar warf ihm ein schiefes Lächeln zu. „Offiziell ist der Sicherheitsabstand tatsächlich ausreichend, wie du siehst.“, er zog ein Schlüsselbund aus der Tasche, an dem ein kleiner USB-Stick befestigt war, „Ansonsten würde die Führung mir schließlich nicht so auf die Nerven gehen.“

Er bemerkte, wie Jakob den Schlüsselbund verständnislos anblickte: „Ab einem bestimmten Dienstgrad erhält jeder Offizier der Wettervorhersage einen Stick sowie ein Passwort für einen Teil unserer Atomwaffen, die, wie du sicher weißt, ausschließlich auf einem der 14 Flugzeugträger beziehungsweise 3 U-Boote unserer Marine gelagert sind. Wie du hier erkennen kannst, befinden sich die Waffen, deren Codes ich besitze ausgerechnet auf einem der 3 vor Europa stationierten Träger, in dem Fall ist es also meine Aufgabe, zu verhindern, dass Irland ein drittes Atlantis wird.“, er zwinkerte Jakob schelmisch zu.

Jakob bemerkte, dass er zunehmend den Boden unter den Füßen verlor. Er hatte sich so sehr auf Amars Erklärungen und den Bildschirm konzentriert, dass ihm nicht aufgefallen war, wie weit sie tatsächlich schon gekommen waren. Das strahlende Blau des Himmels schien schwärzer zu werden.

Aus der Wand der Kabine klappten auf einmal Sitze an Drehbaren Gelenken hervor, dazu jeweils ein Sicherheitsgurt. Auf der Station der Wettervorhersage herrschte keine Schwebelosigkeit, sondern eine der Erde ähnliche, jedoch leicht stärkere künstliche Gravitation, erzeugt durch ihre eigene Fliehkraft. Da die Fliehkraft jedoch der Erdgravitation entgegengesetzt wirkte, bedeutete dies für Objekte innerhalb des Fahrstuhls, dass sie zunächst in einen Zustand der Schwerelosigkeit versetzt und schließlich gegen die Decke gepresst wurden. Mit zwei großen, mehrere Meter langen Sprüngen bewegte sich Jakob auf einen der Sitze zu und schnallte sich fest. Amar schwebte mittlerweile leicht über dem Boden, machte allerdings keine Anstalten, sich zu einem der Sitze zu bewegen.

Der Rest der Fahrt verlief schweigsam. Jakob sah zu, wie Sterne im Himmel, genauer gesagt im Weltall auftauchten und er staunte, wie riesig die Erde im Kontrast zu ihnen wirkte. Einen kurzen Moment wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als Stühle und Monitor sich langsam drehten und sich dann auf die Decke zu bewegten, die der neue Fußboden der Kabine geworden war. Danach nahm der Zug der künstlichen Gravitation nach und nach zu und Jakob fragte sich, ob er den kurzen Augenblick der Schwerelosigkeit besser hätte auskosten sollen.

Als der Gurt sich automatisch löste und der Fahrstuhl merklich an Geschwindigkeit verlor, reckte sich Amar und lockerte seine verspannten Schultern. Danach drehte er sich mit gewohntem schiefem Grinsen zu Jakob um. „Nun, jetzt hast du es fast geschafft. Glaub mir, am Anfang ist alles etwas ungewohnt und der Platzmangel kann einem zu schaffen machen, aber du wirst dich schnell einleben. Ich bin hier mittlerweile seit zehn Jahren und es gab nie einen Augenblick, an dem ich ernsthaft wieder zurück zur Erde wollte. Der Ort hier hat seine eigene Schönheit, so etwas findet man nirgendswo sonst auf dem Planeten, warte, bis du die Eingangshalle siehst!“

Nach ein oder zwei Minuten kam der Fahrstuhl endgültig zum Stehen. Das Bild, dass sich Jakob eröffnete, als die Schiebetür auf der Innenseite der Kabine sich zurückzog, ließ ihm die Nackenhaare zu Berge stehen. Eine riesige, marmorne Halle, an deren runden Wänden sich Treppen nach oben und unten entlang zogen, soweit das Auge reichte. Die Kuppel am Ende der Decke verströmte warmes Licht und in der Mitte herrschte ein reger Trubel von Menschen, die geschäftig vom einen zum anderen Ende liefen, miteinander diskutierten oder sich auf Cafétischen und Sonnenstühlen entspannten. Jede Treppe wurde am Ende von kunstvoll anmutenden Figuren verziert und an den Wänden hingen sowohl Monitore als auch kunstvolle Gemälde. Im Zentrum jedoch stand ein riesiger, mindestens zwanzig Meter hoher Baum, dessen zweige das Licht brachen und sich zu allen Seiten nach den Treppengeländern griffen.

Amar legte ihm den Arm auf die Schulter. „Willkommen auf dem Olymp, Jakob.“