Gefangene des Alltags

Als Kind macht man sich noch nicht so viele Gedanken darüber, was man einmal für ein Mensch sein möchte. Als Jugendlicher versucht man, die verschiedenen Lebensarten auszuprobieren, ist aber häufig unglücklich darüber, wie sehr man an ihnen scheitert. Und als Erwachsener steckt man zu sehr in seinen Gewohnheiten und macht sich zu wenige Gedanken darüber, was man noch für ein anderer Mensch als man selbst sein könnte. Wir werden zu Beobachtern und ich bin damit nicht glücklich; nicht weil ich mir unbedingt ein anderes oder besseres Leben vorstellen kann, sondern weil ich das Gefühl habe, dass wenn wir nicht aufpassen, uns schnell an einer gefährlichen Perspektive festbeißen.

Anfangs mag es noch angenehm erscheinen, immer auf dieselben Erklärungen und Abläufe zurückgreifen zu können. Aber wenn wir nicht danach streben, uns an unsere neue Umgebung anzupassen, verlieren wir uns wahrscheinlich mit der Zeit in Bitterkeit. Wir werden alt und wir versuchen immer wieder dieselben Lösungen, einfach weil wir uns einreden, dass wir es nicht mehr schaffen, uns in etwas Anderes einzuarbeiten. Wir werden überflüssig, weil wir versuchen in einer Welt zu leben, die nicht mehr existiert.

Und dann wird uns diese Tatsache bewusst und wir versuchen, trotzdem so weiterzumachen; verschanzen uns vielleicht in kleineren Gruppen, die sich mehr und mehr von der Wirklichkeit verabschieden. Wir wünschen uns die Einfachheit unserer Kindheit zurück, obwohl diese Vorstellung von Einfachheit aus einer Illusion erwachsen ist, die darin besteht, dass wir zu jener Zeit nicht einmal ansatzweise wussten, was uns in der Welt erwarten wird. Wir waren behütet, konnten uns ausprobieren. Doch sind wir heutzutage überhaupt noch in der Lage dazu?

Ich habe mal gesagt, dass ich es mir vorstellen kann, für immer zu studieren. Damit meine ich, dass ich es mir vorstellen kann, immer wieder neue Dinge zu lernen und mich mit anderen ähnlich interessierten Menschen auf einer wissenschaftlichen Ebene darüber auszutauschen. Mir wurde daraufhin gesagt, dass ich das irgendwann überwinden muss, weil andere Dinge im Leben wichtiger sind. Und ich kann das verstehen. Vielleicht möchte man ja eine Familie gründen und sich verstärkt um diese kümmern. Oder vielleicht möchte man sich für eine bessere Welt einsetzen und etwas für alle erfinden. Aber für mich kann man das alles nicht voneinander trennen: Wenn wir aufhören, danach zu streben, etwas Neues zu lernen, dann stürzen wir genau in die Falle, in der unser Leben nichts mehr mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu tun hat.

Doch wie können wir uns dagegen wehren? Und wie schaffen wir es dort wieder rauszukommen? Ich bin davon überzeugt, dass der beste Weg darin besteht, über sein eigenes Leben stärker nachzudenken, mit anderen darüber zu sprechen und dann sein Leben anzupassen. Das bedeutet nicht, dass wir uns immer in unserer Jugendphase aufhalten sollten, in der wir immer wieder neue Dinge ausprobieren. Mir geht es darum, dass wir uns alle Phasen bewahren – unsere kindliche Naivität, unsere jugendliche Experimentierfreudigkeit, unsere erwachsene Sicherheit – und sie in den richtigen Momenten einsetzen. Wir müssen auch Fehler als Gelegenheiten erkennen, um besser leben zu können. Und wir dürfen niemals aufhören, danach zu streben, mehr über die Welt zu erfahren, denn es gibt so viele Sachen, die interessant sind, die uns mit anderen verbinden können und die uns selbst zu aktiven Gestaltern der Welt werden lassen.

Doch warum sollten wir überhaupt mit anderen darüber sprechen? Nun, wir leben in einer Gesellschaft mit Anderen, und nur wenn wir uns mit diesen Menschen austauschen, können wir nachvollziehen, ob unsere Vorstellungen überhaupt angebracht sind. Wir können natürlich auch versuchen, selbstständig zu Ergebnissen zu gelangen. Aber es ist wesentlich erfolgsversprechender, darüber zu diskutieren, da neue Sichtweisen und Wissen eingebracht werden können. Ich denke, dass es dabei helfen kann, die eigene Anpassungsfähigkeit zu bewahren und sich nicht von seinen veralteten Vorstellungen zurückhalten zu lassen.

Denkt über das nach, was euch beschäftigt! Und tauscht euch mit anderen darüber aus! Dreht einen Film! Schreibt einen Text! Entwickelt ein Computerspiel! Komponiert ein Album! Schreibt auf, was ihr denkt, und besprecht es mit den Menschen, die euch wichtig sind!