Über verlorene Zeit

Es gibt nichts, was mir mehr Sorgen bereitet, als ein Leben, das an mir vorbeizieht und in dem Vieles unabgeschlossen bleibt. Dabei ist vor allem das unabgeschlossen, was sich über Jahre hinweg entwickelt hat, sich langsam aufstaut und einen letztendlich nicht mehr loslässt. Es ist ein Gefühl von Verantwortung für etwas, das einem Halt gibt und doch die Zeit für anderes raubt. Und ich bin darin eine Schnecke, die einen Marathon bewältigen möchte.

Ich bin zu langsam, um auf die sich verändernden Umstände einzugehen. Ich nehme mir zu wenig Zeit, um mein Leben regelmäßig zu reflektieren und daraus Schlüsse zu ziehen; Schlüsse, die mich wirklich voranbringen. Ich hoffe darauf, dass sich eine meiner Arbeiten irgendwann auszahlt, aber ich habe die Vermutung, dass das Leben so nicht funktioniert. Und schon wartet die nächste Ungewissheit, in die ich mich stürzen möchte.

Mein Leben ist ein ständiges Hin und Her zwischen der Unsicherheit meines kreativen Drangs und der scheinbaren Sicherheit der Gewöhnlichkeit. Und ich habe Angst, darin zu scheitern, über diese Gewöhnlichkeit hinwegzukommen. Ich denke, dass ich bereits zum Teil darin gescheitert bin, da es mir immer schwerer fällt, in meinen Träumen das zu erblicken, was mich in sie hineingeführt hat.

Ich möchte nicht weinerlich erscheinen. Ich weiß nur nicht, warum ich in mir so sehr diesen Wunsch verspüre, anderen Menschen zu helfen und dabei doch relativ machtlos bin, klar zu definieren, was eine bessere Welt ausmachen und wie ich diese mitgestalten soll. Ich versuche diese Vorstellung mit aller Kraft zu bekämpfen. Doch bisher drängt mich alles dazu, meine Anstrengungen aufzugeben. Vielleicht wird es irgendwann besser. Zum Beispiel, wenn ich mit einer meiner Arbeiten fertig werde. Aber ich habe die Vermutung, dass das Leben nun einmal nicht so funktioniert.

Gefangene des Alltags

Als Kind macht man sich noch nicht so viele Gedanken darüber, was man einmal für ein Mensch sein möchte. Als Jugendlicher versucht man, die verschiedenen Lebensarten auszuprobieren, ist aber häufig unglücklich darüber, wie sehr man an ihnen scheitert. Und als Erwachsener steckt man zu sehr in seinen Gewohnheiten und macht sich zu wenige Gedanken darüber, was man noch für ein anderer Mensch als man selbst sein könnte. Wir werden zu Beobachtern und ich bin damit nicht glücklich; nicht weil ich mir unbedingt ein anderes oder besseres Leben vorstellen kann, sondern weil ich das Gefühl habe, dass wenn wir nicht aufpassen, uns schnell an einer gefährlichen Perspektive festbeißen.

Anfangs mag es noch angenehm erscheinen, immer auf dieselben Erklärungen und Abläufe zurückgreifen zu können. Aber wenn wir nicht danach streben, uns an unsere neue Umgebung anzupassen, verlieren wir uns wahrscheinlich mit der Zeit in Bitterkeit. Wir werden alt und wir versuchen immer wieder dieselben Lösungen, einfach weil wir uns einreden, dass wir es nicht mehr schaffen, uns in etwas Anderes einzuarbeiten. Wir werden überflüssig, weil wir versuchen in einer Welt zu leben, die nicht mehr existiert.

Und dann wird uns diese Tatsache bewusst und wir versuchen, trotzdem so weiterzumachen; verschanzen uns vielleicht in kleineren Gruppen, die sich mehr und mehr von der Wirklichkeit verabschieden. Wir wünschen uns die Einfachheit unserer Kindheit zurück, obwohl diese Vorstellung von Einfachheit aus einer Illusion erwachsen ist, die darin besteht, dass wir zu jener Zeit nicht einmal ansatzweise wussten, was uns in der Welt erwarten wird. Wir waren behütet, konnten uns ausprobieren. Doch sind wir heutzutage überhaupt noch in der Lage dazu?

Ich habe mal gesagt, dass ich es mir vorstellen kann, für immer zu studieren. Damit meine ich, dass ich es mir vorstellen kann, immer wieder neue Dinge zu lernen und mich mit anderen ähnlich interessierten Menschen auf einer wissenschaftlichen Ebene darüber auszutauschen. Mir wurde daraufhin gesagt, dass ich das irgendwann überwinden muss, weil andere Dinge im Leben wichtiger sind. Und ich kann das verstehen. Vielleicht möchte man ja eine Familie gründen und sich verstärkt um diese kümmern. Oder vielleicht möchte man sich für eine bessere Welt einsetzen und etwas für alle erfinden. Aber für mich kann man das alles nicht voneinander trennen: Wenn wir aufhören, danach zu streben, etwas Neues zu lernen, dann stürzen wir genau in die Falle, in der unser Leben nichts mehr mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu tun hat.

Doch wie können wir uns dagegen wehren? Und wie schaffen wir es dort wieder rauszukommen? Ich bin davon überzeugt, dass der beste Weg darin besteht, über sein eigenes Leben stärker nachzudenken, mit anderen darüber zu sprechen und dann sein Leben anzupassen. Das bedeutet nicht, dass wir uns immer in unserer Jugendphase aufhalten sollten, in der wir immer wieder neue Dinge ausprobieren. Mir geht es darum, dass wir uns alle Phasen bewahren – unsere kindliche Naivität, unsere jugendliche Experimentierfreudigkeit, unsere erwachsene Sicherheit – und sie in den richtigen Momenten einsetzen. Wir müssen auch Fehler als Gelegenheiten erkennen, um besser leben zu können. Und wir dürfen niemals aufhören, danach zu streben, mehr über die Welt zu erfahren, denn es gibt so viele Sachen, die interessant sind, die uns mit anderen verbinden können und die uns selbst zu aktiven Gestaltern der Welt werden lassen.

Doch warum sollten wir überhaupt mit anderen darüber sprechen? Nun, wir leben in einer Gesellschaft mit Anderen, und nur wenn wir uns mit diesen Menschen austauschen, können wir nachvollziehen, ob unsere Vorstellungen überhaupt angebracht sind. Wir können natürlich auch versuchen, selbstständig zu Ergebnissen zu gelangen. Aber es ist wesentlich erfolgsversprechender, darüber zu diskutieren, da neue Sichtweisen und Wissen eingebracht werden können. Ich denke, dass es dabei helfen kann, die eigene Anpassungsfähigkeit zu bewahren und sich nicht von seinen veralteten Vorstellungen zurückhalten zu lassen.

Denkt über das nach, was euch beschäftigt! Und tauscht euch mit anderen darüber aus! Dreht einen Film! Schreibt einen Text! Entwickelt ein Computerspiel! Komponiert ein Album! Schreibt auf, was ihr denkt, und besprecht es mit den Menschen, die euch wichtig sind!

Zurückmeldung

So, um hier mal Henry’s Monologe zu unterbrechen und mal wieder auf mich aufmerksam zu machen, kommt mal wieder ein Post von mir.
Wie in einem meiner – von anderen ungelesenen – Kommentare angedeutet, möchte ich mal wieder etwas mehr in die Blogger-Szene einsteigen. Ich habe dafür auch schon eine schöne Geschichte in meinem Kopf. Aber eben auch nur dort. Sie ist noch nicht durch die Finger in die Tastatur gewandert.

Um die Wartezeit zu überbrücken, habe ich in meiner alten Artikelsammlung gekramt und mir ist ein bisher unveröffentlichter Artikel in die Hände geflutscht, der mir ein Grinsen ins Gesicht zaubert. Keine Ahnung warum. Vielleicht weil ich Recht hatte. Lest selbst.
Der Text ist vom 01. Dezember 2011!!!


Damals…

Wie sehr regt ihr euch zurzeit auf? Ich meine so über die Welt. Was stinkt euch an? Ist es vielleicht E10 oder die Näcktscenner an Flughäfen, sicherlich Google’s Streetview oder der neue, sichere Ausweis.. Aber halt! Da war ja noch die Ausweisung von Sinti und Roma aus Frankreich, Ungarn’s Rechtsruck mit staatlich kontrollierten Medien und Wikileaks und war nicht auch was mit Tibet und China.
Man oh man. Geht ganz schön was ab. Das wird die Welt nachhaltig verändern. Da bin ich sicher.
Früher hatte ich immer das Gefühl, dass sich jetzt was ändern wird., was ändern muss Wie hätten sich die Verursacher je wieder ins rechte Licht rücken können? Mittlerweile bin ich etwas abgestumpft. Viel wurde diskutiert, was ich auch absolut für notwendig halte, manchmal auch einiges bewirkt, aber letztendlich, hat es die Welt wenig bewegt. Ich hatte echt erwartet, dass die Leute die Regierung und Tankstellenbetreiber zwingen können, Garantien auf E10-Verträglichkeit zu geben. Oder das man mit China bzw. Frankreich und Ungarn ein ernsthaftes Wort redet. Ich gebe zu, ich habe selbst nicht viel Ahnung, was aus den meisten dieser Dinge geworden ist. Aber letztendlich sind sie mehr oder minder verpufft. In meinem Kopf und in den Nachrichten. Auf einiges kann man natürlich verzichten. Zum Beispiel als der Korea-Konflikt durch Militärübungen wieder zu eskalieren drohte. Da kann man froh sein, dass ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist. Es gibt aber auch Dinge, die kommen wieder. 2 Jahre nach seinem Tod ist Michaels Jackson’s Leibarzt verurteilt worden. Nach 100 Montagsdemos ist eine Entscheidung zu Stuttgart 21 gefallen. Ein paar Monate nach seinem Rücktritt lästert zu Guttenberg über die deutsche Politik. Und Atommüllbehälter sind bis jetzt auch immer wieder gekommen.
Sicherlich spielen dabei die Medien eine Rolle. Aber mal ehrlich, wie lange könnt ihr ein und dasselbe Thema in den Nachrichten hören, ohne das euch langweilig wird? Es sei denn es sind News, die euch direkt und hochgradig betreffen. Sind wir schon abgestumpft? Ist es gut für uns, ständig neuen Gesprächsstoff zu haben, ohne den alten richtig durchgekaut zu haben? Letztendlich wird sich die Welt nur wenig dadurch bewegen. Nicht einmal die globalen Banken-, Finanz-, Wirtschafts- und Staatskrisen bewegen – in meinen Augen – genug.
Also blicke ich ein wenig ruhiger auf die Situation im Nahen Osten. Wie wahrscheinlich ist es schon, dass sich aus einem möglichem Israel-Iran-Krieg ein 3. Weltkrieg entwickelt…?

Aber Moment mal: hat nicht auch die Naturkatastrophe in Japan zu einem enormen Umdenken geführt…


Heute Morgen

Der Laptop dudelt Musik.
Ich weiß nicht genau, warum ich aufgewacht bin. Ich bleibe einen Augenblick liegen.
Neben meinem Bett auf dem Fensterbrett liegt das Handy.
Nachrichten warten darauf, beantwortet zu werden.
Aber heute muss das Handy warten.
Ich stehe auf, schaue mir die Sachen an, die ich gestern achtlos neben mein Bett geworfen habe.
Ich ziehe mir eine neue Hose an, dazu ein T-Shirt und meine schwarze Baumwolljacke.
Der Mann steht neben der Tür. Er ist schon ziemlich runzelig, sein Gesicht ist eigentlich eine
Ansammlung aus Falten. Auf seinem Kopf lichtet sich sein Haar. Es sieht so aus, als hätte er
sich das fehlende Haar, um es nicht zu verlieren, in Nasen und Ohren gestopft.
Er sieht nett aus, aber wenn man genau hinsieht auch ein bisschen wahnsinnig.
Ich schaue den Mann an. Der Mann verbeugt sich.
„Freut mich, dass Sie wach sind, mein Herr.“, sagt er.
Ich gehe ins Badezimmer und putze mir die Zähne. 
Ich wollte heute eigentlich nach Cottbus fahren, ein paar Sachen erledigen.
Aber das muss ich verschieben.
Ich spucke aus und spüle mir den Mund. Dann schaue ich mich im Spiegel an.
Ich bin zufrieden mit mir. Gedankenverloren blicke ich in mein Gesicht.
Der alte Mann räuspert sich.
„Mein Herr, ich möchte Sie nicht drängen, aber…“
Ich löse mich vom Spiegel.
„Nein, ich weiß, der Zeitplan und so, viel zu tun heute…“
Der alte Mann nickt.
Ich gehe zur Tür und ziehe mir die Schuhe an.
Der alte Mann geht mit mir zu dem Auto, was vor der Haustür wartet und hält mir die Tür auf.
Ich steige in das Auto und der alte Mann setzt sich ans Steuer. Der Wagen setzt sich in Bewegung.
„Du?“ frage ich den alten Mann.
„Hm?“
„Manche Leute sagen, Glück ist, wenn man macht, was einem gefällt.“
„Das ist durchaus möglich, mein Herr.“
Ich lehne mich zurück und schaue aus dem Fenster.
Das Auto verblasst langsam, bis man es irgendwann nicht mehr sieht.
Der Laptop dudelt noch eine Weile Musik, bis er schließlich aufhört.
Sonnenstrahlen wandern langsam über das leere Bett.